03.10.2005, 11:28
Deutsche einheitlich breit ...
.. stand auf der C90-Kassette, die ein Freund während unserer Einheitsfeierlichkeiten im Keller des Hauses seiner Mutter aufgezeichnet hatte. Eine eilends zusammengestellte Rockkombo, deren Bassist ich war, spielte eine nur aus Variationen der ersten Hälfte des Strophenthemas bestehende und entsprechend jämmerliche Version der Nationalhymne. Danach flüchteten wir uns vermutlich in die übliche Bluessession.Gegen Ende der Kassette ist die pathetische Radioübertragung des Einheitsaktes am Brandenburger Tor zu hören.
Am 6. Oktober wollten sich der obige Freund und ich selbst ein Bild von den neuen Ländern machen und fuhren mit meinem schwarzmatten Audi 80 Baujahr 1975 Richtung Magdeburg. Wir verließen kurz vor der Ex-Grenze die A 2, passierten Helmstedt und begaben uns über eine nagelneue Kreisstraße nach Sachsen-Anhalt, wo uns eine Kopfsteinpflasterpiste mit hohem Verkehrsberuhigungspotenzial in einer Parallelwelt begrüßte. Wir durchquerten nun einige einander ähnelnde Ortschaften, viele davon endeten mit -leben, und ihre Straßen waren von grauen, unverputzten Schlichtbauten gesäumt. Auf den Straßen und Gehwegen waren - zu Fuß, auf Fahrrädern oder altertümlichen Mopeds - die Ureinwohner dieses fremden Landes zu sehen, die wiederum uns - junge langhaarige Wessis in einem seltsamen Auto - argwöhnisch zu beobachten schienen. In Magdeburg, eine Stadt, die noch zwei Jahre zuvor Lichtjahre entfernt schien, war es dann schon fast langweilig beerdefiziert, man hatte sogar die Parkautomaten aus dem Westen importiert, und an der Elbe sahen wir einen Pizzawagen, der jahrelang vor der hannoverschen Conrad-Filiale gestanden hatte.
Ein Hauch von Abenteuer dann wenigstens noch auf der Rückfahrt, als wir uns nordwestlich von Magdeburg wegen der katastrophalen Beschilderung verfranzten und uns von erfreuten Ex-DDR-Bürgern ("Wir waren auch schon in Wolfsburg") den Weg weisen ließen. Kurz darauf kamen wir an eine wiederum unbeschilderte Kreuzung, am Straßenrand standen schon mehrere Westautos, deren Fahrer über ihren Straßenatlanten lehnten.
Danach sind wir quasi wieder in die 80er zurückgefahren, oder wie immer man das ausdrücken will. Denn: was hat sich für uns im Westen eigentlich geändert, damals? So gut wie nichts.
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